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DENDRA RÜSTUNG - Die Dendra Rüstung im Archäologischen Museum von Nafplio

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2020-04-29 2022-11-19 29.04.2020
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Dendra Rüstung

Im Museum von Nafplion befindet sich das bedeutendste Fundstück der Ausgrabungen des mykenischen Friedhofs von Dendra. Es handelt sich um die „Dendra Rüstung“, das früheste Beispiel eines Ganzkörper Bronzepanzers, datiert in das 15. Jh. v. Chr., bestehend aus 15 getriebenen Bronzeplatten, insgesamt ca. 15 kg schwer. Der Träger war von den Platten bedeckt vom Kinn bis zu den Knien, wobei die Mehrteiligkeit eine kleine Beweglichkeit zuließ. Zum Panzer gehörte auch ein Helm, der mit Eberzähnen geschmückt war. Vermutet wird, dass zu dem Panzer noch Arm- und Beinschienen gehört haben, sowie an den Füßen Sandalen getragen wurden.

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Dendra Rüstung

Der untere Teil des Panzers besteht aus dreireihigen, je zwei ineinander sich überlappenden, getriebenen Bronzeplatten, welche horizontal mit Lederriemen, wahrscheinlich aus Ochsenhaut, verbunden waren, während sie vertikal mit Ringen beweglich zusammengehalten wurden. Die oberste vordere Platte ist etwas höher angesetzt als die hintere, wobei diese vom Thoraxpanzer noch den unteren wulstigen Abschluss sichtbar lässt. Der Thoraxpanzer hat die Länge von der Taille bis zum Hals, wobei eine großzügige Aussparung unter den Achseln auch hier eine Bewegungsfreiheit lässt. Die Schultern sind zusätzlich geschützt, einerseits durch Bleche, die der Form der Schultern angepasst sind und sie überschneiden, an den Thoraxpanzer angelötet oder angenietet sind, und andererseits an den Schulterrändern noch kleine, relativ dünne Bleche angefügt sind, sodass die Arme durch den erweiterten, ausgestellten Schulterbereich noch zusätzlich geschützt sind. Ein dickes zylindrisches, auf den Thoraxpanzer aufgesetztes Blech schützt den Hals des Trägers bis über das Kinn. Dort kragt das Blech ein wenig nach außen, während es im unteren Bereich in eine Rundung nach unten endet. Der konische, hohe Bronzehelm war mit eingelassenen Eberzähnen, von denen noch Reste erhalten sind, bedeckt.

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Dendra Rüstung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein wenig Bewegungsfreiheit unter der Rüstung möglich war und die Arme sogar ganz frei beweglich waren. Dieses läßt die vielfach angenommene These zu, dass der Träger dieser Rüstung von einem Streitwagen aus mit einer Lanze gekämpft hat.
Oftmals wird in diesem Zusammenhang eine Darstellung Ramses II. bei der Schlacht von Quadesh mit den Hethitern (1285 v. Chr.) als Vergleich herangezogen. Hier ist allerdings der Pharao als Bogenschütze erkennbar, der seinen Gegner aus der Ferne trifft. Das bedeutet, dass in diesem Fall ein großes Schlachtfeld im Kampf mit den Hethitern erforderlich war. Auf der Peloponnes gab es in mykenischer Zeit allerdings nur lokale kriegerische Auseinandersetzungen, die einen direkten Kampf mit dem Gegner erforderten, der sicherlich vom Streitwagen aus mit einer Lanze geführt wurde. Außerdem sprechen die dortigen zahlreichen Funde von Lanzenspitzen verschiedenster Art dafür, dass Kämpfe hauptsächlich mit Lanzen geführt wurden. Die zu dieser Zeit an der häufigsten dargestellten Waffe ist die Langlanze, damals die modernste Waffe.

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Dendra Rüstung

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Thesen von Dimitris Katsikis (in „Αναλύοντας την „Πανοπλία των Δενδρών“. Mai 2014, Athen), der folgendes festhält: (1) Der Streitwagenkämpfer ist ein „Promachos“, also ein Frontkämpfer mit Führungsqualitäten, der (2) über das „Fußvolk“ bestimmt, dadurch jedoch (3) unmöglich ohne die Zusammenarbeit mit anderen Hopliten (bewaffneten Kämpfern) agieren kann. Man nimmt an, dass (4) der Streitwagenkämpfer von einer kleinen Mannschaft umgeben war, bestehend aus einer aristokratischen Elite. (5) Der massive Ganzkörper Panzer muss auf die Zeitgenossen einen gewaltigen Eindruck gemacht haben und der Träger fast wie eine Göttererscheinung gewirkt haben, sodass er und die kleine Elite für unschlagbar gehalten werden mussten. (6) Der Thoraxpanzer erlaubt dem Träger einen Kampf mit der Lanze 360° rundum. (7) Es ist auch denkbar, dass die Rüstung bei einem festlichen Umzug („panegyrikos“) von einem altgedienten Hopliten getragen wurde. (8) Katsikis meint, dass die Dendra Rüstung ein „endymisches Phänomen“ ist im südlichen Teil Griechenlands und unabhängig vom östlichen Mittelmeerraum entstanden ist.

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Dendra Rüstung

Anregungen von den Hethitern sind allerdings nicht auszuschließen, da Beziehungen zum Hethiterreich durch ein Silberrhyton aus Schachtgrab IV in Mykene nachgewiesen sind. So waren die Hethiter im „späten 2. Jahrtausend berühmt für ihre Wagenkämpfer“ (Olaf Höckmann in „Ägäische Bronzezeit“, Hrsg. H. G. Buchholz, S. 340).
Da jedoch die Metallkunst der Mykener zu jener Zeit schon so ausgereift war, dass ein Panzer wie der von Dendra durchaus hergestellt werden konnte und laut Katsikis einer „Architektur des Körpers“ folgte, ist darin ein weiteres Argument für eine heimische Herstellung gegeben. Spätere Rüstungen wurden demnach mehr und mehr der „männlichen Anatomie“ angepasst.
Trotz vieler Erkenntnisse, die Dendra Rüstung betreffend, bleiben noch viele Fragen offen.
Ist die Bronzelegierung (Zusammensetzung von Zinn und Kupfer) möglicherweise aus Zypern? Was trug der Wagenkämpfer unter der Rüstung, denn es ist kaum anzunehmen, dass der Träger direkt mit der Haut auf das Metall stieß.
Mit welchem Material waren die scharfen Kanten abgepolstert?
Ist der Taillenwulst am Thoraxpanzer noch ein kleines Relikt aus der minoischen Kunst („Lilienprinz“ Fresko minoischer Palast von Knossos oder Goldener Becher von Vaphio), oder einfach nur ein breiter Gürtel?
Weitere Untersuchungen könnten durchaus noch einige Fragen beantworten oder Überraschendes zu Tage fördern.